Tierglück zum Anfassen: Leopold Lindner inmitten von auf Weiden lebenden Schweinen. Fotos: Land.Luft
Viele Wege führen zu einem Bio-Konzept. Bei unserem Beispiel des Bio-Restaurants Land.Luft in Leberfing stehen die Vision und der Wunsch dahinter, der Umwelt, der Natur und den Menschen etwas zurückzugeben. Ganz nach dem Motto: Wer erfolgreich wirtschaftet, traut sich auch einen mustergültigen Bio-Betrieb fernab der Zentren zu.
Der deutsche Mittelstand steckt voller "hidden Champions", also von Betrieben in der sogenannten Provinz, die in ihrem Bereich ungeheuer erfolgreich arbeiten, ohne dass sie der breiten Mehrheit bekannt sind. Hand aufs Herz: Wer kennt außerhalb von Arnstorf und Umgebung die Lindner Group?
Der von Hans Lindner aufgebaute Familienbetrieb ist Europas führender Komplettanbieter in den Bereichen Innenausbau, Fassaden und Isoliertechnik. Das Unternehmen verfügt über 60 Jahre Erfahrung im "Bauen mit neuen Lösungen". Mit weltweit gut 8.000 Mitarbeitern betreibt Lindner vom niederbayerischen Arnstorf aus Produktionsstätten und Tochtergesellschaften in mehr als 20 Ländern.
Und nur einen Steinwurf entfernt von Arnstorf in Leberfing feilt die Familie Lindner seit knapp zehn Jahren an einem ganzheitlichen und nachhaltigen Bio-Konzept. "Leberfing war eine bessere Ruine mit 43 Hektar Land drum herum und seit den 1980er-Jahren in Familienbesitz", erinnert sich Leopold Lindner, ein junger Student der Agrarwissenschaften in Triesdorf bei Ansbach, einer Außenstelle der Hochschule Weihenstephan.
Leopold war als Kind auch 2015 bei einer legendären Familienfeier der Lindners dabei. Dabei wurde heftig über Tierwohl und Fleischpreise diskutiert. Zum Schluss traf die Familie Lindner folgende Entscheidung: "Wir bauen eine Biolandwirtschaft mit Fokus auf Tierwohl und Nachhaltigkeit auf, zum Wohle von Mensch, Tier und Natur."
Gesagt, getan. Als erstes wurde die Lindner Land- und Forstwirtschaft GmbH & Co. KG gegründet. In Leberfing rückten Bagger und Kräne an, um mit dem Bau von Metzgerei, Restaurant und Hofladen zu beginnen. 2016 kamen die ersten 16 Schweine auf die Weide in Leberfing. Die Lindners hatten sich umgehört im eigenen Betrieb und bei befreundeten Unternehmen und waren dabei auf ehemalige Landwirte gestoßen, die gern bei der Umsetzung einer kühnen Vision dabei sein wollten.
Fehlte nur noch ein zugkräftiger Name. Die mustergültige Tierhaltung bekam den Hashtag #tierglück, Bio-Restaurant, Hofladen und Onlineshop firmierten unter der Marke Land.Luft.
2017 beginnt in Siebenbürgen ein zweiter Bio-Betrieb mit Ackerbau und Tierzucht. Neben dem Aufbau einer externen Vermarktung ging es darum, den Anteil an eigenproduziertem Futter weiter zu steigern. Über seine Stiftung hatte Hans Lindner enge Kontakte nach Rumänien, die sich beim Aufbau dieses zweiten Bio-Standbeins auszahlten.
2017 startet die Mutterkuh- und Rinderhaltung (mit der Rasse Murnau Werdenfelser Rind) in Leberfing. Und ganz wichtig: Der Betrieb erhält die EU-Zulassung für die Weideschlachtung von Schweinen, Rindern und Schafen. "Nach unserem Kenntnisstand sind wir der einzige Betrieb in Deutschland, der Schweine mit EU-Zulassung auf der Weide schlachten darf", so Leopold Lindner. „Das verstehen wir unter Tierglück! Glückliche 'Nutz'-Tiere, die auf den Weiden leben, werden dort auch angst- und stressfrei geschlachtet – ohne jeden Tiertransport."
2018 wird das erste Obst und Gemüse in Siebenbürgen geerntet. Der selbstgemachte Apfelsaft ist eine Sensation. Im Juni erfolgt die feierliche Eröffnung der "Land.Luft Leberfing" mit Hofmetzgerei, Bio-Restaurant und Hofladen.
2019 wird das Sortiment der Land.Luft mit einer Schnapsbrennerei in Siebenbürgen weiter ergänzt. Seither gibt es Obstbrände und Kräuterlikör, seit 2024 auch in Bioqualität. – Die Weideschlachtung wird von der LMU München wissenschaftlich erforscht. Dr. Hanna Wullinger-Reber begleitet die Entwicklung eines einzigartigen Schlachtanhängers zur stress- und angstfreien Weideschlachtung von Schweinen. In ihrer Dissertation heißt es schwarz auf weiß: "Diese Form der Schlachtung direkt auf der Weide erfüllt nicht nur alle Hygienevorgaben, sondern hat auch einen positiven Einfluss auf die Fleischqualität."
Alles aus einer Hand: Artgerechte Haltung, Schlachtung auf den Weiden und handwerkliche Verarbeitung des Biofleisches.
Im selben Jahr wird der gesamte Betrieb – von der Landwirtschaft über die Verarbeitung in der Metzgerei bis zum Bio-Restaurant – von Naturland bio-zertifiziert. Ein Bio-Restaurant zwischen Vilshofen und Arnstorf, wer hätte das für möglich gehalten. Das ist ein Novum für die gesamte Region.
Im Januar 2020 wird der Onlineshop freigeschaltet. Nun können sich Land.Luft-Fans deutschlandweit handwerklich produzierte Schmankerl gut gekühlt nach Hause liefern lassen – vom Bio-Salamiaufschnitt gemischt bis zum Angus Bürgermeisterstück Bio.
Was fehlt noch? Fast nichts mehr, oder doch: Wein! Also übernimmt die Familie Lindner das Weingut Groszer Wein am Eisenberg im Südburgenland. Winzer Markus Bach macht hier mit seinem Team charakterstarke Weine von höchster handwerklicher Qualität, die zahlreiche Auszeichnungen erhalten – und seit 2022 ebenfalls bio-zertifiziert sind.
Seit Mai 2023 werden neben den Gastronomien der Lindner Gruppe auch ausgewählte Gastro-Betriebe deutschlandweit mit Land.Luft-Bio-Fleisch beliefert. Kurz darauf wird Land.Luft vom Bayerischen Umweltministerium mit der Auszeichnung "Region.Tradition.Innovation" geehrt – für das herausragende Engagement für Tierwohl und die regionale Wertschöpfung. Noch ein Meilenstein: Das Bio-Restaurant Land.Luft wird in den SlowFood Genussführer aufgenommen.
Stillstand wäre Rückstand: Seit November 2024 sind Bestellungen im Onlineshop auch aus Österreich möglich.
Wie geht es weiter? Schon als kleiner Bub wusste Leopold Lindner, was er mal werden wollte: Landwirt. Und Opa Hans wusste das auch. "Das hat vielleicht im Hinterkopf eine Rolle gespielt bei der Umsetzung der Bio-Version", so Leopold Lindner. Er freut sich schon heute darauf, nach dem Studium zurückzukehren nach Leberfing – nicht als Schreibtischtäter, Big Boss, sondern als anpackender Teamplayer.
Dazu gehört auch Metzgermeister Andreas Reiser, der über seine Berufung sagt: "Achtung und Verantwortung gegenüber unseren Tieren begleiten unseren Alltag. Mit viel Handwerkskunst, Zeit und Können veredeln wir unser Biofleisch zu besten Fleisch- und Wurstspezialitäten."
Damit kann Eva Allers, die Leiterin des Hofladens und des Bio-Restaurants, prima arbeiten. Das Einzugsgebiet des Lokals reicht von Passau über Deggendorf bis nach Landshut, und selbst Münchner sind in der Land.Luft schon gesichtet worden. Das Preisniveau liegt kaum über dem Level der wenigen Wirtshäuser in der Umgebung, aber weit weg von den Metropolen, etwa mit einem Bio Cordon Bleu für knapp über 20 Euro. Jeden Donnerstag ist Burgerabend, jeden Samstag Steakhouse-Abend.
Ein Selbstläufer sind das Bio-Restaurant und die Bio-Landwirtschaft noch nicht. "Wir beschäftigen derzeit alles in allem mehr als 30 Mitarbeiter, die Investitionskosten waren gewaltig, noch schreiben wir keine schwarzen Zahlen", räumt Leopold Lindner ein. "Aber die Lindner Group ist es gewohnt, rentabel zu arbeiten. Ja, Tierwohl und Bio-Gastronomie sind für uns eine Herzensangelegenheit, sollen aber kein Zuschussgeschäft bleiben."
Der gelernte Landwirt sieht seine Zukunft vor allem in der Landwirtschaft. "Bei den Hofführungen ist z. B. noch Luft nach oben", so Leopold Lindner. "Und auch das Bio-Restaurant würde profitieren, wenn wir den Weg in Richtung Erlebnishof für die ganze Familie gehen."
Im Mittelalter hieß es: Stadtluft macht frei. In Leberfing heißt es: Land.Luft macht glücklich.
Der Artikel ist in der Ausgabe 1/2025 des Gastronomie-Report erschienen.
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